Am 6. Dezember 1990, starb Amadeu Antonio in einem Krankenhaus an den Folgen eines Angriffs von rechtsradikalen Skinheads in Eberswalde. Antonio war als angolanischer Vertragsarbeiter in die DDR gekommen. Seine brutale Ermordung hat traurige Berühmtheit erlangt. Er gilt als eines der ersten Todesopfer rechter Gewalt im wiedervereinigten Deutschland. Mehr als 200 weitere Tote zählen Journalist*innen und Initiativen wie die 1998 gegründete Amadeu-Antonio-Stiftung.
Amadeu Antonio kam am 3. August 1987 gemeinsam mit weiteren angolanischen Vertragsarbeiter*innen in die DDR. Er wollte Flugzeugtechnik studieren, wurde aber zum Fleischer ausgebildet und arbeitete im Schlacht- und Verarbeitungskombinat in Eberswalde. Mit dem Mauerfall änderte sich die Situation für ihn und die anderen Vertragsarbeiter*innen schlagartig: Durch die Annullierung der Verträge mit den Herkunftsländern war ihr Aufenthaltsstatus unklar, viele verloren ihren Arbeitsplatz und mussten zurück. Amadeu Antonio, der zu diesem Zeitpunkt 28 Jahre alt war, erhielt nur deshalb eine Aufenthaltsgenehmigung, weil er und seine Freundin aus Eberswalde ein Kind erwarteten.
Eberswalde und das nordöstliche Brandenburg waren damals eines der Zentren von Neonazis. Gleichzeitig lebten dort viele Schwarze Menschen, ehemalige Vertragsarbeiter*innen. Diese konnten aus Angst vor Übergriffen nur in Gruppen auf die Straße gehen, abends verließen sie ihre Unterkünfte nicht.
Den Abend des 24. November 1990 verbrachte Amadeu Antonio mit Freund*innen aus Angola und Mosambik im „Hüttengasthaus“. Zu dieser Zeit war dies die einzige Gaststätte, in der Nichtdeutsche noch willkommen waren. Im Laufe des Abends informierte die Polizei den Wirt per Telefon, dass eine größere Gruppe Jugendlicher in Anmarsch sei, die Stress machen wolle. Die Polizei wusste zu diesem Zeitpunkt bereits schon eine Woche von dem Treffen der Neonazis. Sie begleitete sogar den Mob bis zur Gaststätte. Die Polizei empfahl dem Wirt lediglich, das Lokal zu schließen. Der Wirt brach daraufhin die Veranstaltung ab und forderte seine Gäste auf, nach Hause zu gehen.
Als Amadeu Antonio mit seinen Freund*innen das Lokal verließ, liefen sie der rund 50-köpfigen Gruppe in die Arme. Zu der mit Baseballschlägern und Zaunlatten bewaffneten Meute gehörten sowohl Skinheads aus Eberswalde und Umgebung als auch „ganz normale“ Jugendliche. Sie griffen die Gruppe sofort an.
Die Angegriffenen rannten um ihr Leben und versuchten, in unterschiedliche Richtungen zu entkommen. Zwei Männer aus Mosambik wurden mit Messern schwer verletzt, konnten dann aber fliehen. Amadeu Antonio selbst schaffte es nicht. Rund zehn Leute umringten ihn und schlugen auf ihn ein, reichten einander den Baseballschläger weiter. Als er bereits am Boden lag, sprang einer der Angreifer mit beiden Füßen auf seinen Kopf.
Drei Zivilfahnder beobachteten das Geschehen aus der Nähe, trauten sich nach eigenen Angaben jedoch nicht, einzugreifen. 20 voll ausgerüstete Polizisten befanden sich ebenfalls in der Nähe, schritten jedoch erst zu einem späteren Zeitpunkt ein.
Amadeu Antonio erlitt schwerste Kopfverletzungen. Ohne das Bewusstsein wiedererlangt zu haben, starb er am 6. Dezember 1990 an toxischem Multiorganversagen und Hirngewebeblutungen. Am 9. Januar 1991 wurde sein Leichnam nach Angola überführt – zwei Stunden nach der Geburt seines Sohnes.
Ein Gerichtsverfahren wurde erst eineinhalb Jahre später eröffnet.
Der Prozess war durchsetzt von rassistischen Äußerungen des Richters. Auch die damals dort noch lebenden angolanischen Vertragsarbeiter*innen, die teilweise als Zeuge*innen gehört wurden, waren in Eberswalde permanenten rassistischen Beschimpfungen, Bedrohungen und Angriffen ausgesetzt gewesen. Nur eine Initiative für die Opfer hatte die Zeug*innen zum Gerichtssaal und nach Hause begleitet, um sie vor Angriffen zu schützen. Die Polizisten wurden nicht belangt. Nur zwei Täter erhielten eine Haftstrafe.
Heute erinnert eine Gedenktafel in Eberswalde an den Mord.
Seit Amadeu Antonios 16. Todestag hält die Gedenkkampagne „Light me Amadeu“ die Erinnerung wach. Sie tritt nicht zuletzt für eine gesamtgesellschaftliche Auseinandersetzung mit Rassismus ein. Zu größerer überregionaler Sichtbarkeit trägt maßgeblich auch die 1998 gegründete Amadeu Antonio Stiftung bei.