Im Jahr 2000, ganz im Zeichen der Jahrtausendwende, verabschiedeten die Vereinten Nationen die sogenannten „Millennium Development Goals“: Acht Zielsetzungen, die bis 2015 erreicht werden und das 21. Jahrhundert maßgeblich gestalten sollten. Neben der weltweiten Bekämpfung von Armut und Hunger, das Einsetzen für die Gleichstellung von Frauen, war auch die Bildungsgerechtigkeit ein prominenter Bereich dieser Entwicklungsziele. Dass vielfältige Kulturen in einer pluralistischen und diversen Welt als schützenswert gelten, war um das Jahr 2000 jedoch kein Ziel für eine gerechtere Welt.
Um dem später entgegenzuwirken, verabschiedete die Generalversammlung der Vereinten Nationen am 21. Dezember 2002 die Resolution 57/249, die den 21. Mai zum „Internationalen Tag der kulturellen Vielfalt“ erklärte.
Die Entscheidung zur Etablierung dieses Tages wurde im Nachhinein getroffen, um das Bewusstsein für die Bedeutung für kulturelle Diversität zu fördern und um den Dialog zwischen Kulturen zu stärken.
Dabei muss erwähnt werden, dass es zu dieser Zeit kaum ein Verständnis davon gab, wie intersektional und multidimensional sich Formen von kultureller Diversität innerhalb eines Landes verschränken können. Kulturen wurden noch größtenteils als in sich geschlossene „völkische“ Entitäten angesehen.
Aber nun gut: Die Vereinten Nationen erkannten damit an, dass kulturelle Vielfalt ein gemeinsames Erbe der Menschheit ist und dass der Schutz und die Förderung dieser Vielfalt von entscheidender Bedeutung sind.
Auch wenn die Vereinten Nationen den 21. Mai zum „Internationalen Tag der kulturellen Vielfalt“ erklärten, gibt es auf nationaler Ebene keine einheitliche Festlegung für das Datum des Tags der Diversität. Es kann damit von Land zu Land variieren.
In Deutschland wurde der Tag erst 2012 von der „Charta der Vielfalt“ ins Leben gerufen. Er variiert seitdem jährlich und findet zumeist im Mai oder Juni eines Jahres statt. 2023 wurde das Datum auf den 23. Mai festgelegt.
Die „Charta der Vielfalt“ ist eine Initiative, die Unternehmen und Organisationen dazu ermutigt, sich für Vielfalt und Chancengleichheit in der Arbeitswelt einzusetzen. Sie entstand im Jahr 2006 unter der Schirmherrschaft der damaligen christdemokratischen Bundeskanzlerin Angela Merkel.
Trotz der Chancen, die ein solcher öffentlicher Tag mit sich bringt, wie z. B. die Sichtbarmachung des Themenkomplexes von Diversität, bleibt doch der fade Beigeschmack, dass ein solcher Tag lediglich symbolischen Charakter hat und nicht ausreichend ist, um tatsächlich Veränderungen zu bewirken. Diese öffentliche Inszenierung des Zelebrierens eines gesellschaftlich Pluralen an einem einzigen Tag verzerrt die soziale und politische Realität, dass z. B. Rassismus, Antisemitismus und Diskriminierung zum strukturellen Alltag für viele Menschen in der Bundesrepublik gehört und es daher ganzjährige Maßnahmen zu ihrer Bekämpfung braucht.
Um die Ambivalenz eines solchen Tages zu unterstreichen, muss man sich eventuell die Initiative „Charta der Vielfalt“ selbst anschauen.
Als eine Non-Profit-Organisation veröffentlichte sie 2006 eine freiwillig zu unterzeichnende Selbstverpflichtung. Mit der Unterzeichnung erklärten sich Arbeitgeber*innen bereit, sich für die Chancengleichheit ihrer Beschäftigten einzusetzen. Sie sind jedoch nicht verpflichtet, konkrete Maßnahmen zur Förderung von Diversität und Chancengleichheit umzusetzen. Außerdem werden keine Kontrollmechanismen implementiert, um sicherzustellen, dass Unternehmen ihre Selbstverpflichtungen überhaupt einhalten.
Ähnlich wie der „Tag der Diversität“ birgt daher auch die Initiative „Charta der Vielfalt“ die Gefahr, für Wirtschaft und Politik zu einer Imagekampagne zu verkommen – ohne tatsächlich nachhaltige Veränderungen hervorzurufen.
Trotz der positiven Absichten muss man vielleicht daher konstatieren: Eine nachhaltige und komplexe Strategisierung für eine gleichberechtigte Gesellschaft in ihrer Diversität sieht anders aus und muss auch anders umgesetzt werden.