Manche Stoffe verformen sich zu bestimmten Momenten, und kehren zu ihrer ursprünglichen Form zurück, ohne dass die Veränderungen durch die Verformungen sichtbar sind. Manche Lebewesen auch; sie erfahren zu bestimmten Phasen ihres Lebens äußerliche und innerliche Erschütterungen, quasi Verformungen, und kehren zu ihrer ursprünglichen äußerlichen und innerlichen Integrität zurück, unversehrt und ohne Spuren der Erschütterungen. Ebenfalls Ansammlungen von Lebewesen zeigen dieses Phänomen und können sich nach zeitweiser Verformung durch Notstand oder Gefährdung erholen und in ihre ursprüngliche Funktionalität als Gesellschaft zurückkehren.
Diese Fähigkeit, nach zwischenzeitlicher Verformung, Erschütterung, Notstand oder Gefährdung die vollständige Erholung und Wiederherstellung der ursprünglichen Unversehrtheit zu erlangen, Resilienz genannt, verdient eine achtsame Würdigung mit einem Gedenktag. Der Beginn der Resilienzforschung der vergangenen fünf Jahrzehnte basiert auf der einfachen Beobachtung, dass manche Menschen offenbar Krisensituationen überstehen können, ohne dass die Erlebnisse psychische Spuren hinterlassen. Die Resilienz wird multidimensional und mit zahlreichen Schwerpunkten definiert, doch bleibt die Kernaussage gleich: Menschen haben die Fähigkeit, psychische – manche schreiben auch seelische – Kompetenzen der Widerstandskraft zu erlangen, die wiederum befähigen, die Herausforderungen im Laufe des Lebens zu meistern. Die gute Nachricht ist: Resilienz kann erworben, trainiert und ein Leben lang erweitert werden. Eine weitere gute Nachricht ist: Die Resilienzfaktoren gelten nicht nur für Individuen, sondern auch für Teams, Organisationen und ganze Nationen. Weitere gute Nachrichten sind: Die Voraussetzungen für Resilienz können sich Systeme beliebig aneignen, und die Kompetenzen flexibel und je nach Kontext dynamisch einsetzen.
Am Tag der Resilienz können wir uns individuell, interpersonell, kulturell, strukturell und gesellschaftspolitisch mit Fragen der eigenen Resilienz auseinandersetzen:
Welche Erwartungen stellen wir an uns selbst? Welche Gefühle und Emotionen überwiegen im Alltag? Können wir Fehler zulassen? Wie gehen wir mit Ängsten und Befürchtungen um? Was sind unsere inneren Antreiber? Erhalten wir (soziale) Unterstützung und können Hilfe annehmen? Verfolgen wir klare Ziele, die sinnvoll erscheinen? Wie ist der Grad unserer Beschäftigung am Tag? Unter welchen Bedingungen und nach welchen Vorgaben beschäftigen wir uns? Wonach orientieren wir uns? Nach welchen Werten leben wir? Fühlen wir uns dort, wo wir unsere Lebenszeit verbringen, verbunden, wertgeschätzt und zugehörig? Haben wir Räume der Selbstreflexion (mit/ohne) Feedback? Teilen wir unsere Vorstellung von Welt und/oder unser Wissen in einer Gemeinschaft? Werden alle in der Gemeinschaft gesehen und gehört? Werden alle in der Gemeinschaft mit ihrem Sein akzeptiert?
Am Tag der Resilienz können wir unsere Resilienz wahrnehmen, uns feiern und kreativ Neues zum Resilienz-Ausbau ausprobieren.