Michèle Kiesewetter wurde am 10. Oktober 1984 in Oberweißbach in Thüringen geboren. Ihr Onkel war Polizist und 2002 entschied auch sie sich, zur Polizei zu gehen. Ab 2003 war sie Teil der Landesbereitschaftspolizei Baden-Württemberg.
Am 25. April 2007 verbrachte sie gemeinsam mit ihrem Kollegen Martin A. die Mittagspause auf der Theresienwiese in Heilbronn. Im gemeinsamen Dienstwagen sitzend sahen sie die sich von hinten nähernden Täter nicht kommen. Die Täter schossen dann vermutlich unvermittelt. Martin A. überlebte den Anschlag schwer verletzt. Er sagte am 75. Verhandlungstag im Münchener NSU-Prozess aus. Im Krankenhaus, so Martin A., habe es zunächst geheißen, er habe einen Unfall gehabt. Schließlich sei ihm auf die Frage nach seiner Kollegin erklärt worden, dass „Michèle nicht mehr da“ sei und dass er mit einem Kopfschuss im Koma gelegen habe. Da sei er in Tränen ausgebrochen und habe dem Kollegen in den Bauch geboxt, weil er gedacht habe, der wolle ihn hochnehmen. Zu weiteren Auswirkungen des Anschlags auf sein Leben heute befragt, erzählte Martin A., dass es da sehr viele gebe. Vor allem das Trauma: „So’n Attentat steckt man nicht so einfach weg!“ Seine Kollegin sei danach einfach weg gewesen. Er schlafe nicht gut, wache auf. Sein Kindertraum, ein normaler Polizist zu werden, sei dahin.
Nach dem Mord an Michèle Kiesewetter gingen die Ermittler*innen so sorgsam mit der Familie um, wie das nach der Ermordung einer nahen Angehörigen normal und wünschenswert sein sollte. Die Täter wurden aber auch bei dieser Tat nicht gefunden, bis zur Selbstenttarnung des NSU im November 2011 blieb der Mord unaufgeklärt. Da die Täter hier eine andere Waffe als bei der „Ceska-Mordserie“ verwendeten, war er bis dahin auch nicht mit der Mordserie in Verbindung gebracht worden. Erst das Bekenntnisvideo des NSU brachte hier Klarheit.
Der Mord an Michèle Kiesewetter hätte wohl verhindert werden können, wenn die Polizei auf die Angehörigen der Mordopfer der rassistischen Mordserie gehört und in Richtung eines rechten Motivs ermittelt hätte. Die Angehörigen demonstrierten 2006 in Kassel und Dortmund und forderten: „Kein 10. Opfer“. Dieses zehnte Opfer wurde ein knappes Jahr später Michèle Kiesewetter. Sie ist das letzte bekannte Mordopfer des NSU.