Halit Yozgat wurde 1985 in der Holländischen Straße in Kassel geboren. Er war das vierte Kind seiner Eltern, Ayşe und İsmail Yozgat, die aus der Türkei stammen. Nachdem er die Schule abgeschlossen hatte, eröffnete Halit Yozgat im Jahr 2004 mit der Unterstützung seiner Familie ein Internetcafé in der Holländischen Straße. Neben seiner Arbeit dort besuchte er die Abendschule, um sein Abitur nachzuholen. Er wollte Informatik studieren.
Am 6. April 2006 sollte İsmail Yozgat seinen Sohn im Internetcafé ablösen. An diesem Tag verspätete er sich. Sein Sohn hatte ihm Geld gegeben, damit er sich selber ein Geschenk zu seinem Geburtstag am darauffolgenden Tag aussuchen könne. Als İsmail Yozgat in das Café kam, fand er seinen Sohn leblos hinter dem Tresen. Im hessischen Untersuchungsausschuss sagte İsmail Yozgat am 27. November 2017 gemeinsam mit seiner Frau Ayşe aus. Er stellte die Tatortszene nach, indem er Stühle und Tische im Tagungsraum des Ausschusses anordnete. Er beschrieb:
„Halit ist nicht am Tisch. Und ich frage mich, ist er vielleicht in den hinteren Raum gegangen. Aber hier, genau da sind zwei rote Flecken. Was ist passiert, mein Sohn, sage ich. Ich habe noch nie in meinem Leben eine Schusswunde gesehen. Ich sehe, dass er links zwei Schusswunden hat. Ich rufe Halit, Halit, was machst du. Er gibt keine Antwort. Ich lege ihn hin, behutsam. Ich wollte telefonieren, aber konnte nicht. Ich bin raus durch die Tür, es gibt ein türkisches Café. Freunde, meinem Halit ist was passiert. Drei, vier, fünf Minuten später haben wir den Tisch weggeräumt, dann kam die Polizei und hat mich rausgenommen.“
Wenige Wochen nach dem Mord an Halit Yozgat organisierten Menschen aus dem Umfeld der Familie Yozgat einen Trauermarsch. Mehrere Tausend Menschen, darunter Angehörige mehrerer Opfer der rassistischen Mordserie des Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU), die damals noch nicht als solche bekannt war, zogen am 6. Mai 2006 durch die Innenstadt und forderten die Aufklärung der Morde. Sie benannten Rassismus als naheliegendes Motiv für die Mordserie und forderten: „Kein 10. Opfer!“
Halit Yozgat war das letzte bekannte Mordopfer der rassistischen Mordserie des NSU. Er wurde nur zwei Tage, nachdem Mehmet Kubaşık erschossen worden war, ermordet. Auch bei dieser Tat – fast sechs Jahre nach dem ersten bekannten Mord der Serie – ermittelten die Behörden wieder gegen die Familie: Obwohl es auch bei dieser Tat keine Hinweise auf ein innerfamiliäres Motiv gab, wurde die Familie abgehört und sogar ein verdeckter Ermittler eingesetzt.
Gleichzeitig stellte sich heraus, dass ein hauptamtlicher Mitarbeiter des hessischen Verfassungsschutzes während des Mordes im Internetcafé war: Andreas Temme, beim Landesamt für Verfassungsschutz unter anderem für die V-Mann-Führung von rechten V-Leuten verantwortlich. Der hessische Verfassungsschutz verweigerte tiefergehende Ermittlungen, unter anderem die Vernehmung von V-Leuten, die Temme geführt hatte.
Bis heute ist die Rolle von Andreas Temme im NSU-Komplex ungeklärt. Er behauptet, zufällig im Internetcafé gewesen zu sein und die Leiche von Halit Yozgat nicht gesehen zu haben. Temme musste zwar den Verfassungsschutz verlassen, blieb aber im Staatsdienst.
Die Familie von Halit Yozgat kämpft bis heute um Aufklärung und Anerkennung. Seinen Geburtstag feierte İsmail Yozgat 15 Jahre lang nicht mehr. Auf Wunsch seiner Enkel feiert er ihn wieder.