Dämmerung, 5 Uhr morgens. Eine Gruppe von Männern klopft, schlägt an die Tür: „Raus aus eurem Haus, denn wir werden es verbrennen!“ So erinnert sich eine Teenagerin an den 27. April 1999.
Die Männer waren von der Polizei Serbiens, die Teenagerin und ihre Familie Albaner*innen aus Kosovo. Mehr müsste man eigentlich nicht sagen, damit alle erkennen, was für ein Grauen mit diesem Tag verbunden ist. Doch leider sind die Kriegsverbrechen Serbiens an Albaner*innen so unbekannt, dass man es immer wieder und wieder sagen muss. Deshalb hier die Geschichte des Massakers in Meja.
Am frühen Morgen fuhren die Armee und Polizei Serbiens in mehrere Orte rund um das Dorf Meja, plünderten und verbrannten albanische Häuser und vertrieben deren Bewohner*innen. Sie zwangen die Menschen zum den zentralen Ort des Verbrechens: nach Meja. Dort wurden sie erneut ausgeraubt. Die Polizei, der „Freund und Helfer“, zwang alle Vertriebenen, ihr letztes Hab und Gut zu übergeben, drohte ihnen und schlug sie zusammen.
Brüder wurden von Schwestern getrennt, Väter von Kindern, Söhne von Müttern. Männer und Jungen wurden gezwungen zu schreien: „Lang lebe Serbien! Lang lebe Milošević!“. Sie wurden geschlagen, gefoltert. Auf dem Boden kniend, aus Schmerzen oder durch Zwang und mit verbundenen Händen, wurden sie ermordet.
All das berichteten Zeug*innen der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch. „Die Straße war voller Blut“, erinnerte sich ein Überlebender.
Mindestens 377 Menschen wurden ermordet, an einem Tag. Monate später, als NATO-Truppen nach Meja kamen, sahen sie Haufen aufeinandergeworfener Leichen. Sie sahen Leichen mit abgetrennten Köpfen, komplett zertrennte Körper. Verstreute Gegenstände und gebrochene Knochen, die einst Menschen gehörten. Menschen, die dem jahrhundertealten Traum von „Großserbien“ zum Opfer fielen.
Doch das war nicht alles: Ein Teil der Leichen wurde in LKWs gepackt und in ein Massengrab nahe Belgrad gefahren.
Nur wenige der Mörder wurden zur Verantwortung gezogen. Der Hauptverantwortliche, General Vladimir Lazarević, wurde zu 15 Jahren Haft verurteilt. Später wurde die Strafe auf 14 Jahre reduziert und nachdem er zwei Drittel abgesessen hatte, wurde er 2015 ganz freigelassen. Zehn Jahre Haft für Tausende gestohlener Lebensjahre.
In Serbien wurde er als Held empfangen und lehrt nun als Professor an der Militärakademie, um neue Generationen der Armee Serbiens auszubilden. Bitte denkt daran, wenn jemand behauptet, „Kosovo ist Serbien“ oder sich über die notwendige Unabhängigkeit Kosovos oder den ebenso notwendigen NATO-Einsatz beschwert.
Für die Menschen von Meja und den umliegenden Orten ist es zu spät. Aber die Überlebenden, tief traumatisiert und verwundet, leben mitten unter uns in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Sie beweisen, warum Erinnerungskultur keine Vergangenheit ist.