Das Kriegsverbrechen an der bosniakischen Zivilbevölkerung im Dorf Ahmići jährt sich am 16. April dieses Jahres zum 30. Mal. Dabei kamen mindestens 116 Menschen ums Leben, darunter 32 Frauen und elf Kinder, das jüngste Opfer war drei Monate alt.
In Ahmići und Umgebung werden bei den diesjährigen zentralen Gedenkveranstaltungen bis zu 2.000 Menschen erwartet. Insgesamt sind an elf Tagen verschiedene künstlerische sowie religiöse Veranstaltungen in enger Zusammenarbeit mit lokalen Opferverbänden geplant, die im Zeichen des Erinnerns und Gedenkens an die zivilen Opfer stehen.
Ahmići liegt im zentralbosnischen Lašva-Tal bei Vitez. Bis zum 16. April 1993 hatte das Dorf etwa 800 Einwohner*innen, davon waren ca. 90 Prozent Bosniak*innen. Zu Beginn des Krieges in Bosnien und Herzegowina (1992-1995) suchten schätzungsweise 300 Geflüchtete, die zuvor aus anderen Gebieten gewaltsam vertrieben worden waren, in dem Dorf Zuflucht. Das Verbrechen an der Zivilbevölkerung in Ahmići wurde während des Krieges in Bosnien und Herzegowina im Kontext des kroatisch-bosniakischen Krieges, der auch als „Krieg im Krieg“ bezeichnet wird, verübt. Die Täter waren unter anderem Mitglieder des 4. Bataillons der Militärpolizei des Kroatischen Verteidigungsrates (HVO) – einer sich bereits im Sommer 1991 formierenden Einheit der bosnischen Kroat*innen in der West-Herzegowina. Weitere Täter gehörten der Spezialstreitkraft der Militärpolizei der HVO an, die sogenannten „Joker“, die etwa aus dreißig Mitgliedern bestand sowie Mitglieder der Spezialeinheit „Vitezovi“, „Die Ritter“.
Am Morgen des 16. April 1993 wurde Ahmići umzingelt und dabei Scheunen sowie naheliegende Moscheen in Brand gesetzt. Die Moschee von Ahmići wurde mit mehreren Kilogramm Sprengstoff zerstört. In Kleingruppen drangen die Täter in die Häuser der Bewohner*innen ein, zündeten diese an und ermordeten gezielt die bosniakische Zivilbevölkerung. Hinsichtlich der Brutalität und des Ausmaßes des Kriegsverbrechens sowie der breiten medialen Aufmerksamkeit, wurden vonseiten des Internationalen Strafgerichtshofs für das ehemalige Jugoslawien (ICTY) unmittelbar danach Untersuchungen eingeleitet.
Die sozialen, politischen sowie ideologischen Hintergründe der Verbrechen in Ahmići sind vielschichtig und komplex; die politische (Mit-)Verantwortung des 1991 gegründeten kroatischen Staates unter der Führung des damaligen Präsidenten Franjo Tuđman galt lange als umstritten. Annexionspläne von Teilen Bosnien und Herzegowinas sowie die Unterstützung des ultranationalistischen Flügels HDZ (Kroatische Demokratische Gemeinschaft) in Bosnien und Herzegowina vonseiten der HDZ in Kroatien sprechen von einer Mitverantwortung. Ferner fand der Lokalpolitiker und verurteilte Kriegsverbrecher Dario Kordić, unter dessen Führung die Gewalttaten in Ahmići begangen wurde, enorme Unterstützung aus Zagreb.
Die Verbrechen in Ahmići sind historisch demnach im Kontext des kroatisch-bosniakischen Krieges zu verorten, der offiziell vom 18. Oktober 1992 bis zum 23. Februar 1994 datiert wird und zwischen der Armee der Kroat*innen in Bosnien und Herzegowina beziehungsweise dem bereits erwähnten Kroatischen Verteidigungsrat und der Armee der Republik Bosnien und Herzegowina (ARBiH) geführt wurde. Bevor es zu militärischen Kampfhandlungen und Menschenrechtsverletzungen durch beide Seiten kam, kämpften die HVO und die ARBiH gemeinsam gegen die Armee der bosnischen Serben sowie die Jugoslawische Volksarmee. Das Bündnis zerfiel, nachdem der ultranationalistische Flügel der bosnisch-kroatischen HDZ die sogenannte Herceg-Bosna ausrief und die mehrheitlich von der bosniakischen Zivilbevölkerung bewohnten Gebiete von der HVO erobert wurden. Befeuert wurden die militärischen Auseinandersetzungen zwischen der HVO und der ARBiH von xenophober und rassistischer Propaganda. Dabei wurde unter anderem auf rassistische Stereotype aus dem Zweiten Weltkrieg zurückgegriffen. Die Hetze gegen Bosniak*innen nahm dabei rasant zu und führte vermehrt zu rassistischen Zuschreibungen.
Von allen in Bosnien und Herzegowina geführten, kriegerischen Auseinandersetzungen der 1990er Jahre gilt der kroatisch-bosniakische Krieg als am wenigsten erforscht, was bis dato zu Unstimmigkeiten hinsichtlich seines historischen Narrativs führt. Für Kroatien erscheint dieser Umstand erinnerungspolitisch günstig, da dadurch das Opfernarrativ des Landes nicht herausgefordert wird. In den vergangenen Jahren wurde jedoch vonseiten ziviler Organisationen sowie NGOs in Kroatien, wie etwa der Youth Initiative of Human Rights Zagreb oder der Organisation Centre for Women War Victims Zagreb – ROSA im öffentlichen Raum an die Opfer der Verbrechen in Ahmići gedacht. Dennoch ist dieser Abschnitt der Kriegsvergangenheit im Kontext der Aufarbeitung in Kroatien ein weißer Fleck.
In einem breiten europäischen Kontext spielt das Gedenken an die Opfer der Verbrechen in Ahmići hinsichtlich einer Pluralisierung europäischer Erinnerungskulturen eine bedeutende Rolle, um nicht zuletzt auch daran zu erinnern, dass die Opfer ein Teil der pluralen Gesellschaften Europas waren.