17. Mai: Internationaler Tag gegen Homo-, Bi-, Inter- und Transfeindlichkeit

Tobias Herzberg

2005 als IDAHO – International Day Against Homophobia gegründet, wurde der 17. Mai im Jahr 2009 zum IDAHOT, um mit dem angefügten Buchstaben Transfeindlichkeit und den Kampf gegen diese im Namen sichtbar zu machen. 2016 folgte die jüngste Namenserweiterung: Seitdem steht das bis heute verwendete Kürzel IDAHOBIT – International Day Against Homophobia, Biphobia, Interphobia and Transphobia auch für den Kampf gegen die Diskriminierung von bi- und intersexuellen Menschen. Die Abwertungs-, Ausgrenzungs- und Gewalterfahrungen, die intersexuelle und trans* Personen aufgrund ihrer geschlechtlichen Identität machen müssen, unterscheiden sich zwar in vielen Punkten von der Diskriminierung, die Lesben, Schwulen und Bisexuellen aufgrund ihrer sexuellen Orientierung widerfährt. Umso wichtiger ist es, in Solidarität und Anerkennung dieser Unterschiede gemeinsame Standpunkte queerer Communities herauszustellen und zusammen der Heteronormativität und der durch sie bewirkten und legitimierten Gewalt entgegenzutreten.

Der 17. Mai ist aber nicht in erster Linie Feiertag der großen queeren Familie, sondern ein Aktions- und Gedenktag. Ziel ist es, der Dominanzgesellschaft die Benachteiligung und Unterdrückung vor Augen zu führen, der LGBTIQ* täglich weltweit ausgesetzt sind. Das Datum hat symbolische Bedeutung: Am 17.5.1990 wurde Homosexualität aus dem Krankheitskatalog der Weltgesundheitsorganisation (WHO) gestrichen. Gleichzeitig erinnern die Zahlen des Datums (1-7-5) alle in Ost- und Westdeutschland sozialisierten Schwulen und Bisexuellen an den erst 1994 ersatzlos aus dem Strafgesetzbuch der Bundesrepublik gestrichenen Paragraphen 175, der Homosexualität seit der Kaiserzeit und verschärft seit der NS-Herrschaft unter Strafe gestellt hatte. Seit 1968 hatte in der DDR und seit 1969 in der BRD eine Strafrechtsreform immerhin die Strafbarkeit gleichgeschlechtlicher Handlungen unter Erwachsenen aufgehoben; ein im Vergleich zu heterosexuellen Kontakten unterschiedlich hohes Schutzalter blieb aber bestehen und zementierte so bis 1994 die Ungleichheit vor dem Gesetz.

Transsexualität wurde erst 2018 aus dem Diagnoseschlüssel der WHO entfernt und gilt deshalb im aktuell gültigen ICD11-Katalog, einem Klassifikationssystem für medizinische Diagnosen, nicht mehr als Krankheit. Das von der Ampel-Regierung angekündigte Selbstbestimmungsgesetz soll diesem Umstand Rechnung tragen und den Prozess der Transition, von der Hormonversorgung bis zur Personenstandsänderung, erleichtern.

Doch auch wenn die formellen Ebenen der Medizin und des Rechts Gleichbehandlung garantieren sollen, sieht die gesellschaftliche Realität oft brutal anders aus. 2021 wurden vom Bundesinnenministerium 1.051 hassmotivierte Straftaten gegen Lesben, Schwule, bisexuelle, trans* und intergeschlechtliche Menschen registriert. Das sind drei am Tag, und diese Zahl umfasst nur die zur Anzeige gebrachten und kategorisch erfassten Fälle. Sicher ist, dass die Dunkelziffer um ein Vielfaches höher liegt. Denn nur zwei der 16 Bundesländer (Berlin und Bremen) weisen bislang Hasskriminalität gegen LGBTIQ* gesondert aus. Doch das Modell könnte Schule machen. Denn im Dezember 2021 haben sich die Innenminister*innen der Länder erstmals systematisch mit dem Thema befasst und in einem einstimmigen Beschluss das Bundesinnenministerium dazu aufgefordert, eine unabhängige Fachkommission einzuberufen. Eine Forderung, die Initiativen und Selbstorganisationen wie der LSVD (Lesben- und Schwulenverband) schon lange hochhalten.

Ein wichtiger Schritt, den die Ampel bereits unternommen hat, ist die Ernennung des Parlamentarischen Staatssekretärs Sven Lehmann (Bündnis 90/Die Grünen) zum ersten Queer-Beauftragten einer Bundesregierung. In dieser Funktion wird Lehmann bei der Aktion „Zeichen setzen“ zum IDAHOBIT 2022 auf der Bundestagswiese in Berlin eine Unterschriftenliste entgegennehmen: Die Petition des Bündnisses „Grundgesetz für alle“ will erreichen, dass der Schutz von queeren Menschen als Staatsauftrag im dritten Verfassungsartikel verankert wird. Knapp 100.000 Menschen haben bereits unterschrieben.

Werden sich die Forderungen irgendwann erübrigen? In einer vor Kurzem in den USA veröffentlichten Umfrage haben so viele junge Menschen wie noch nie angegeben, queer zu sein. Insgesamt gaben 7,1 Prozent von mehr als 12.400 Erwachsenen an, sich als lesbisch, schwul, bi oder trans* zu identifizieren. Das sind doppelt so viele wie vor zehn Jahren. Die wahre Überraschung liegt aber in der jüngsten befragten Altersgruppe zwischen 18 und 25 Jahren, denn diese identifizieren sich zu knapp 21 Prozent als queer. In der gleichen Umfrage vor fünf Jahren waren es noch sieben Prozent. Gleichzeitig ist aber auch in Amerika „gay“ noch immer eines der häufigsten Schimpfwörter auf Schulhöfen und in Klassenzimmern.

Wir erleben zurzeit beides: einen Anstieg an Selbstidentifizierung und die Liberalisierung der Gesellschaft auf der einen Seite – und auf der anderen Seite Formen der strukturellen Diskriminierung und steigende Fallzahlen der Hasskriminalität. Die Zeit, in der ein Tag wie der IDAHOBIT überflüssig wäre, ist noch lange nicht gekommen.[7]

 

Zurück zum Pluralistischen Gedenkkalender