Die allgemeine Erklärung der Menschenrechte wurde am 10. Dezember 1948 durch die Vereinten Nationen verabschiedet. Im Jahr 1950 wurde ebenfalls durch die Vereinten Nationen der 10. Dezember zum internationalen Gedenktag proklamiert.
Unter dem Eindruck der Verbrechen des Nationalsozialismus wurden durch die Mitgliedstaaten der UN 30 Artikel formuliert, mit denen Grundelemente für ein gutes, würdevolles Leben aller Menschen, losgelöst von ihrem jeweiligen Lebenskontext, umrissen werden sollten: von Recht auf Bildung, Unversehrtheit und Versammlungsfreiheit bis zum Recht auf kulturelle Teilhabe, bezahlten Urlaub und selbstbestimmte Eheschließung.
Kritik an den internationalen Menschenrechten formuliert sich aus verschiedenen Positionen und mit Fokus auf jeweils unterschiedliche Aspekte. Aus der Perspektive postkolonialer Theorie und Politik wird die Genese der Erklärung der Menschenrechte durch die Vereinten Nationen als eng verwoben mit europäischer Gewaltgeschichte gesehen und herausgestellt, dass diese Gewalt in die Proklamation der Menschenrechte nicht nur eingeschrieben, sondern mit ihnen auch weitergeschrieben würde. So würden mit den Menschenrechten europäische/westliche Ideen für alle Menschen als Normen gesetzt: Begriffe wie „Würde“ und „Freiheit“ seien z. B. inhaltlich gefüllt mit westlichen Konzepten. Dies veranschauliche sich im Besonderen anhand der argumentativen Einbindung der vermeintlichen Absolutheit von Menschenrechten in westlichen Diskursen über Geschlechterordnungen und Frauenrechte in so genannten nicht-westlichen Ländern.
Über diese Kritik hinaus wird noch grundsätzlicher gefragt: Wer wird normativ, und wer wurde historisch in die Position gesetzt, Rechte zu vergeben? Wer wird und wurde in die Position gesetzt, Rechte zu erhalten? Hier reproduziere sich eine Nord-Süd-Hierarchie, die sich in konkreten Politiken, z. B. durch militärische oder politische Interventionen durch westliche Staaten in Ländern des Südens aber auch in der Arbeit internationaler NGOs, manifestiere.
Neben dieser Kritik aus postkolonialer Perspektive gibt es verschiedene Versuche, den historischen Ursprung der Idee der Menschenrechte zu lokalisieren bzw. Ansätze, die dem entgegen davon ausgehen, dass nicht ein Ursprungskontext identifiziert werden kann, sondern dass vielmehr kontingente Konstellationen letztlich zu der spezifischen Idee der Menschenrechte geführt haben.
Aus Perspektive politischer Theorie und Philosophie werden hinsichtlich der allgemeinen Erklärung der Menschenrechte unter anderem folgende zwei Aspekte problematisiert:
Einerseits stelle sich die Herausforderung einer Verhältnisbestimmung der individuellen, abstrakten Menschenrechte zu einer demokratischen Grundordnung – oder überhaupt zu einer Gemeinschaft und ihrer Ordnung. Die Menschenrechte unterminierten mit ihrem absoluten, abstrakten und entkontextualisierten Anspruch nationale Souveränität auf verschiedenen Ebenen. Menschen wollten und müssten ihre subjektiven Rechte aber vor allem in ihren konkreten, wie zum Beispiel nationalstaatlichen Lebenskontexten, garantiert wissen.
Zum anderen wird kritisch erörtert, welche Perspektiven für politisches Handeln sich aus der Fokussierung auf individuelle Rechte ergeben. Hier ließe sich eine zunehmende Schwächung von Forderungen auf Verteilungsgerechtigkeit aufzeigen. Im Kontext von Diskursen um Menschenrechte und ökonomische Sicherheit würde verstärkt eine Argumentation für Suffizienz, also für eine Gewährleistung der Grundsicherung (was sich auch in der Arbeit von Nichtregierungsorganisationen niederschlage), propagiert und eine grundlegende Infragestellung von Einkommensverhältnissen nicht vorgenommen werden.
Welche tatsächliche politische, rechtliche und soziale Wirkmacht mit der allgemeinen Erklärung der Menschenrechte durch die Vereinten Nationen am 10. Dezember 1948 einherging und einhergeht, wird sehr unterschiedlich beurteilt: mal wird eine solche von Grund auf in Frage gestellt und der Verweis auf Menschenrechte, zum Beispiel in politischen Diskursen, als rein rhetorisch gewertet. Mal wird ihre Wirkmacht als nicht überschätzbar beurteilt, da sie zentrales argumentatives Instrument z. B. zur Aufrechterhaltung westlicher, (post-)kolonialer Dominanz über Länder des Südens sei.
Letztlich haben alle dieser hier beispielhaft angeführten Kritiken ein wichtiges, bedenkenswertes Moment. Zugleich hat aber auch keine von ihnen die Qualität, die Idee eines allen Menschen qua Geburt zustehenden, abstrakten und kontextunabhängigen Rechts auf ein gutes Leben – wie auch immer sich das konkret ausgestalten sollte – auf individuelle, selbstbestimmte Entwicklung- und Gestaltungsmöglichkeiten, von Grund auf als hinfällig oder fragwürdig zu erklären – dafür ist das damit verbundene Versprechen zu groß.
Was bedeuten diese kritischen Perspektiven auf die allgemeinen Menschenrechte für ein zukunftsorientiertes Erinnern? Was bedeutet es mit Blick auf den 10. Dezember, den internationalen Tag der Menschenrechte? Es bedeutet, sich der Kritik anzunehmen, sich auseinanderzusetzen und plurale Perspektiven sprechen zu lassen – um aus der Idee ein zukunftsgewandtes, pluralistisches Anliegen werden zu lassen.