7. April: Internationaler Gedenktag an den Genozid in Ruanda

Darija Davidović

1990 brach im ostafrikanischen Staat Ruanda ein Bürgerkrieg aus, der 1994 in zahlreiche Gewaltakte und schließlich im Genozid gegen die Tutsi-Minderheit mündete. Zwischen dem 7. April und dem 15. Juli 1994 töteten rassistische und radikale Hutu vor den Augen der Weltöffentlichkeit innerhalb von 100 Tagen zwischen 800.000 und 1 Million Menschen. Trotz jahrelanger und enger Partner*innenschaft mit Ruanda sowie einer zurückliegenden deutschen Kolonialgeschichte auf dem Gebiet intervenierten deutsche Behörden und Organisationen nicht, als es 1994 zu den Gewaltausbrüchen kam. Auch die internationale Gemeinschaft griff trotz stationierter UN-Truppen nicht ein. Schließlich beendete die Ruandische Patriotische Front (RPF) nach drei Monaten den Genozid militärisch.

Die Opfer waren überwiegend Tutsi sowie oppositionelle und gemäßigte Hutu, aber auch weitere Oppositionelle und Minderheiten. Seit 2003 gilt der 7. April als internationaler Gedenktag an den Völkermord sowie als „Tag der Reflexion“. Die Vereinten Nationen fordern alle Mitgliedstaaten dazu auf, den Gedenktag zu begehen.

Vom 7. April bis zum 4 Juli wird in Ruanda jährlich eine 100-tägige Staatstrauer begangen und unter anderem am Kigali Genocide Memorial den Opfern des Genozids gedacht. Die Gedenkstätte und Bildungseinrichtung in der ruandischen Hauptstadt Kigali dient zugleich als Ruhestätte für mehr als 250.000 Opfer des Völkermords, die in Gemeinschaftsgräbern bestattet sind. Weitere bedeutende Erinnerungsorte und Gedenkstätten der insgesamt 250 Gedenkstätten befinden sich in Murambi im Süden Ruandas, in Ntarama, Bisesero, Nyarubuye sowie in Nyamata. Während die Gedenkstätte in Bisesero neu erbaut wurde, wurde für die anderen auf bereits vorhandene, mit dem Genozid direkt verbundene Gebäude zurückgegriffen, wie etwa auf ehemalige Kirchengebäude, in denen Menschen vor Verfolgung und Gewalt Schutz suchten sowie auf ein Gebäude auf einem ehemaligen Schulgelände in Murambi, auf dem schätzungsweise bis zu 43.000 Menschen ermordet wurden. An all diesen Orten wurden Massaker an der Tutsi-Minderheit begangen und anschließend Massengräber ausgehoben. Viele der Opfer konnten bis heute nicht identifiziert werden.

Noch vor Beginn des Bürgerkrieges kam es immer wieder zu zahlreichen Konflikten und Gewaltakten zwischen den sozialen Gruppen der Tutsi und Hutu. Die Ursprünge dafür liegen auch in der Kolonialherrschaft Deutschlands in „Deutsch-Ostafrika“ begründet, das ebenfalls das heutige Gebiet von Ruanda umfasste: Basierend auf der aus Europa importierten rassistischen „Hamitentheorie“ wurde die Überlegenheit einer in Nordafrika verorteten „hamitischen Rasse“ aufgrund ihrer vermeintlichen Verwandtschaft zu Europäer*innen gegenüber der sogenannten „negroiden“ Bevölkerung geltend gemacht. Die Fortsetzung der belgischen Kolonialherrschaft in Ruanda während des Ersten Weltkrieges führte schließlich zur Ethnisierung der sozialen Gruppen der Tutsi und Hutu und zur Einteilung in verschiedene „Stämme“, woraus sich der weit verbreitete Irrglaube speist, dass es sich im Kontext des Genozids in Ruanda um „Stammeskonflikte“ gehandelt habe. Für die Einteilung in unterschiedliche „Stämme“ von Seiten der Kolonialmächte wurde auf rassistische Kriterien zurückgegriffen, wie etwa auf vermeintliche körperliche Spezifika sowie besondere Charaktereigenschaften der jeweiligen Gruppen. Wo es vorher also keine ethnischen Differenzen gegeben hatte, wurden diese von außen geschaffen, um zwischen den sozialen Klassen der landwirtschaftlichen Arbeiter*innen der Hutu und der Viehzüchter*innen der Tutsi zu unterscheiden sowie die eigene Kolonialmacht zu stärken, indem die vermeintlich überlegene Gruppe politisch unterstützt wurde. Die ethnische Zugehörigkeit wurde zudem in Dokumenten vermerkt und führte zu rassischen Zuschreibungen. Die Übernahme politischer Macht von Angehörigen der Tutsi sowie die Unterdrückung von Mitgliedern der Hutu wurde von deutscher sowie belgischer Seite gefördert und führte zu sozialer Ungleichheit und systematischen Unterdrückungsmechanismen. Tatsächlich war die soziale Durchlässigkeit jedoch vor der Einteilung in unterschiedliche Ethnien durch die Kolonisator*innen noch vorhanden gewesen: wer also zunächst der sozialen Gruppe der Hutu angehörte, konnte später als Viehzüchter*in und somit als Mitglied der Tutsi gelten.

Der europäische Kolonialismus trug somit dazu bei, Konflikte innerhalb der ruandischen Gesellschaft zu schüren und schuf zugleich die Grundlage ideologischer Implikationen des Genozids.

Auch heute ist die Beschäftigung mit dem Genozid in der internationalen Gemeinschaft präsent: Frankreich räumte 2021 zum Beispiel seine Mitverantwortung für den Genozid ein, nachdem eine Historiker*innenkommission damit beauftragt wurde, Dokumente auszuwerten. Waffenlieferungen Frankreichs sowie die Hinnahme der rassistischen Hetze führten unter anderem zur Stärkung des damaligen ruandischen Regimes unter der Führung von Juvénal Habyarimana. Die Kommission wirft in ihrem Abschlussbericht der damaligen Regierung unter Präsident Mitterrand „Blindheit“ und „Versagen“ vor und kommt zu dem Schluss, dass Frankreich eine „schwere“ und „erdrückende“ Verantwortung am ruandischen Genozid zu tragen habe. Während Frankreich jahrelang um die Aufarbeitung seiner Rolle im Genozid in Ruanda gerungen hat und nun offiziell um Vergebung bittet, gilt es weiterhin, sich der historischen Verantwortung für das koloniale Erbe bewusst zu werden.

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