13. Mai: Gedenktag für die im Nationalsozialismus verfolgten Chinesen in Hamburg („Chinesenaktion“)

Lin Hierse

Bereits in den 1890er Jahren kamen chinesische Seeleute nach Hamburg. Mit dem Boom der Handelsschifffahrt zu Beginn des 20. Jahrhunderts beschäftigten Reedereien wie die Hapag und Norddeutscher Lloyd zunehmend Arbeiter aus China, die sie vor allem als Heizer und Kohlenzieher einsetzten, denn sie galten – rassistischen Klischees folgend – als besonders „hitzebeständig“. In Hamburg eröffneten Chinesen zu dieser Zeit vornehmlich Lokale und Wäschereien, rund um die Schmuckstraße auf St. Pauli entstand so eine Art „Chinesenviertel“. In der Öffentlichkeit wurde das Viertel häufig als gefährlich und geheimnisvoll dargestellt. Gerüchte von Drogenhandel und unterirdischen Tunnelsystemen wurden auch von Zeitungen aufgegriffen. Die rechtskonservative „Deutsche Zeitung“ schrieb 1925 von der „gelben Gefahr“.

Die rassistische Diskriminierung der chinesischen Bevölkerung, insbesondere der Arbeiterklasse, verschärfte sich während der Herrschaft der Nationalsozialisten von 1933 bis 1945 zunehmend. Am 13. Mai 1944 verhaftete die Geheime Staatspolizei (Gestapo) unter Leitung des Kommissars Erich Hanisch schließlich gemeinsam mit der Kriminalpolizei die in Hamburg befindlichen chinesischen Staatsangehörigen. Unter dem Vorwurf der „Feindbegünstigung“, da die chinesische Republik am 9. Dezember 1941 formell den Alliierten beigetreten war und auch Deutschland den Krieg erklärt hatte, wurden insgesamt 130 chinesische Männer vornehmlich auf St. Pauli festgenommen und in das „Polizeigefängnis“ Fuhlsbüttel gebracht, das die Gestapo damals als Konzentrationslager und Haftstätte nutzte.

Die am 13. Mai 1944 inhaftierten Chinesen wurden dort monatelang geschlagen und gefoltert. Besonders Hanisch, so berichteten mehrere der Opfer nach Kriegsende, sei für seine Brutalität bekannt gewesen. Eine Gruppe von 60 bis 80 Männern wurde im September ins „Arbeitsumerziehungslager“ Wilhelmsburg überstellt, wo sie in der umliegenden Industrie Zwangsarbeit verrichten mussten. Sie reparierten eine beschädigte Eisenbahnstrecke und arbeiteten in der Raffinerie des Mineralölunternehmens Rhenania Ossag (heute Shell), oft unter Schlägen der Wachleute. Viele litten unter Hunger.

Bei der sogenannten „Chinesenaktion“ richtete sich der Blick der Gestapo auch auf deutsche Frauen, die in Partnerschaften mit den Männern lebten. Viele von ihnen waren bereits in den vorangegangenen Jahren auch von der deutschen Bevölkerung immer wieder als Frauen ohne Anstand und Prostituierte diffamiert worden. Der NS-Rassenpolitik folgend wurde ihnen 1944 vorgeworfen, durch ihre Beziehungen zu den Chinesen „die Sicherheit des deutschen Volkes zu gefährden“. Mindestens eine wurde deswegen ins Konzentrationslager Ravensbrück eingewiesen, eine weitere Betroffene berichtet von brutalen Mord- und Gewaltdrohungen Erich Hanischs gegen das Kind eines verhafteten Chinesen. 

Im Zuge der „Chinesenaktion“ beraubten Beamte der Gestapo viele Chinesen ihres Besitzes, sie plünderten Wohnungen und Lokale. Infolge der Misshandlungen und Zwangsarbeit in Fuhlsbüttel und Wilhelmsburg starben mindestens 17 der verhafteten Männer. Die genaue Zahl der Opfer ist nur schwer festzustellen, da kaum Dokumente überliefert sind.

Nach Kriegsende bemühten sich fast alle der Überlebenden um die offizielle Anerkennung ihrer Verfolgung durch das NS-Regime und Entschädigungszahlungen. Obwohl unter anderem der Umgang mit deutsch-chinesischen Partnerschaften auf die rassistischen Motive der Nazis hindeuteten, lehnte das Amt für Wiedergutmachung alle Anträge im Frühjahr 1951 ab, da die Chinesen nicht „wegen ihrer Rasse, sondern wegen ihrer politischen Einstellung zu den Alliierten“ festgenommen worden seien. Es berief sich mit dem Urteil auf die Einschätzung der „Feindbegünstigung“ durch die Hamburger Kriminalpolizei, die das Amt im Gegensatz zur Gestapo als „nicht belastete“ und „unpolitische“ Institution ansah – obwohl die Kriminalpolizei nachweislich an der Durchsetzung der NS-Rassenpolitik und deren Verbrechen beteiligt war.

Seit 2012 erinnert eine Gedenktafel in der Schmuckstraße auf St. Pauli an die Opfer der „Chinesenaktion“ von 1944, mittlerweile wurden auch mehrere Stolpersteine verlegt. Finanzielle Entschädigungen für die Hinterbliebenen hat es nicht gegeben.

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