22. Februar: Ermordung Geschwister Scholl

Andrea Hanna Hünniger

Das Protokoll der Hinrichtungen am 22. Februar 1943 wurde penibel geführt. Sophie Scholl starb als Erste, dazu steht im Protokoll: „Der ganze Hinrichtungsvorgang, der sich ohne Zwischenfall vollzog, dauerte vom Verlassen der Zelle an gerechnet 48 Sekunden“, davon „06 Sekunden“ von der Übergabe an den Scharfrichter Johann Reichhart bis zum Fall des Beiles.

Die Hinrichtung von Hans Scholl verzeichnet das Protokoll des Oberreichsanwalts beim Volksgerichtshof für 17.02 Uhr; dokumentiert sind auch seine letzten Worte „Es lebe die Freiheit“. Christoph Probst wurde demnach um 17.05 Uhr hingerichtet. 

Lange hieß es, eine Mitarbeiterin der Haftanstalt gab den Geschwistern noch eine letzte Zigarette vor deren Ermordung. Viele solcher Mythen ranken sich um die letzten Stunden der Mitglieder der Widerstandsbewegung der „Weißen Rose“. Sie sollten vor allem dazu dienen, die deutsche Nachkriegsgesellschaft zu beruhigen, dass nicht alle Nazis waren. Doch der Mythos ist eine Lüge der Wächterin selbst, die sich später in besserem Licht darstellte. 

Doch im Gedächtnis der Deutschen dürfte keine Frau größer sein als Sophie Scholl. Sie war Widerständlerin gegen die Nazis und wurde im Alter von nur 21 Jahren nach einem kurzen Schauprozess hingerichtet. Gemeinsam mit ihrem Bruder Hans, der kurz nach ihr zum Fallbeil geführt wurde, und mit Freunden der Gruppe „Die Weiße Rose“ hatte sie auf Flugblättern zum Widerstand gegen Hitler aufgerufen. Sie verschickten die Flugblätter meist nach dem Zufallsprinzip über die Post. Bei der letzten Aktion am 18. Februar 1943 legten sie sie in der Münchner Ludwig-Maximilians-Universität aus und ließen sie von der Galerie des Lichthofs flattern. Sie wurden verhaftet.

Das letzte Flugblatt war ein Aufruf an die „Kommilitoninnen! Kommilitonen!“: „Der Tag der Abrechnung ist gekommen, der Abrechnung unserer deutschen Jugend mit der verabscheuungswürdigsten Tyrannis, die unser Volk je erduldet hat.“

Bei einem schnellen Prozess vor dem Volksgerichtshof unter dem gefürchteten Richter Roland Freisler wurden die Geschwister wie auch Christoph Probst nur vier Tage nach der Tat zum Tode verurteilt: wegen Wehrkraftzersetzung, Feindbegünstigung und Vorbereitung zum Hochverrat.

Obwohl die Weiße Rose in der Zeit ihres Bestehens lediglich sechs Flugblätter herausbrachte, wurde die Gruppe, ganz besonders Sophie Scholl, zum Inbegriff des Widerstands gegen den Nationalsozialismus. 

Dass Sophie Scholl heute aber für alle möglichen politischen Haltungen vereinnahmt wird, lässt sich nicht anders erklären als dadurch, dass ihr Vorbild zu glatt geworden ist – so glatt wie ihre Büste in der Walhalla.

Woran liegt das? Warum wurde sie unter allen Mitgliedern der Weißen Rose das berühmteste? Und wie sähe ein zeitgemäßes Gedenken an Sophie Scholl und ein aufgeklärter Umgang mit dem Nationalsozialismus aus?

Heute weiß jeder und jede, der oder die es wissen will, was für ein menschenverachtender Wahnsinn der Nationalsozialismus gewesen ist. In der Zeit selbst aber hat es eine Mehrheit anders wahrgenommen. Wie bleibt man wachsam? Was ist es in einem selbst, das einen mal das Richtige erkennen lässt, mal nicht? Für solche Fragen ist ein realistischeres Bild von Sophie Scholl viel hilfreicher.

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