Als Ella Nik Bayan schon brannte, versuchte ein Mitarbeiter der Security der Deutschen Bahn, sie zu löschen. „Fuck you!“ soll sie ihm entgegengeschleudert haben. Wenige Stunden später starb die trans Frau aus dem Iran an den Verbrennungen im Krankenhaus. „Fuck you!“, waren vermutlich ihre letzten Worte. „Fuck you!“
Als Ella Nik Bayan 2015 in der völlig überfüllten Zentralen Anlaufstelle für Asylbewerber in Halberstadt, Sachsen-Anhalt, ankommt, hat sie bereits einen langen Weg hinter sich. Über ein Jahr war sie unterwegs. In einem kurzen Dokumentarbeitrag aus dem Jahr 2018, der ihre Geschichte porträtiert, sagt sie: „Als Frau Merkel gesagt hat, die Flüchtlinge sind willkommen, wollte ich ein neues Leben anfangen. Ich möchte tragen, was ich möchte. Ich möchte leben, wie ich möchte. Ich möchte eine Frau sein!“ In ihrem Herkunftsland und in ihrer Familie war ihr dies nicht möglich. Im Iran musste sie in ständiger Angst leben, als Homosexueller verhaftet und durch die Todesstrafe ermordet zu werden. Und auch ihr Engagement in der Oppositionsbewegung brachte sie zunehmend in Gefahr. Sie gab ihren gut auskömmlichen Beruf auf und machte sich auf den Weg.
In Deutschland traf sie auf Behörden, die ihren Asylantrag zwar annahmen, sie jedoch mit aller behördlichen Gewalt zum Mann machten. Politisches Asyl oder Transition, beides wurde ihr nicht gestattet. Zudem befand sie sich in der Geflüchtetenunterkunft in einem homophoben und transfeindlichen Umfeld. Auch hier musste sich Ella Nik Bayan weiterhin verstecken. 2017 wird ihr Antrag zunächst abgelehnt. Da ihr Transsein nicht in der Ablehnung berücksichtigt wurde, gelang es ihr mit Unterstützung des Lesben- und Schwulenverbands Sachsen-Anhalt, erfolgreich dagegen zu klagen. Seit 2016 nahm sich Ella immer mehr Sichtbarkeit als trans Frau. Sie schloss in Magdeburg, wo sie kurz wohnte, viele Freundschaften, engagierte sich in der queeren Community, gärtnerte leidenschaftlich und lernte innerhalb kürzester Zeit Deutsch. Aber mit der Sichtbarkeit kamen auch die transfeindlichen und rassistischen Anfeindungen in der Öffentlichkeit.
2018, kurz nachdem sie ihren positiven Asyl-Bescheid bekommen hatte, zog Ella Nik Bayan nach Berlin. Sie fand noch mehr Freundschaften, Jobs für den Lebensunterhalt, aber auch noch mehr Unsicherheit und Anfeindungen. Hinzu kamen nun die Bürokratie des „Transsexuellengesetzes“, die damit verbundenen demütigenden psychiatrischen Begutachtungen und endlosen Antragstellungen für eine Kostenübernahme der „geschlechtsangleichenden Behandlungen“. Immer wieder musste sie sich beweisen. Nie war es genug. Nie hörte es auf.
Am 14. September 2021 setzte Ella Nik Bayan all dem ein Ende. Sie hinterließ keinen Abschiedsbrief, als sie sich auf den Weg zum Alexanderplatz machte. Dort zündete sie sich an.
Die Maschine aus Hass und Gewalt läuft ohne sie weiter. Passanten machten von der brennenden Frau Videos mit ihren Smartphones und stellten sie ins Netz. Entsprechend rassistisch und transfeindlich fielen die Kommentare aus. Vermutlich ein Krankenhausmitarbeiter fotografierte ihren verbrannten Körper und verbreitete das Bild im Internet. Ella Nik Bayan erhielt eine kleine Grabstätte auf dem Sozialistenfriedhof in Friedrichsfelde, dort wo auch Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht bestattet wurden. Den genauen Ort kennen nur sehr wenige. Bereits im Januar 2022 stellten Unbekannte einen Feuerlöscher und einen Kanister auf Ella Nik Bayans Grab und verschandelten das kleine Rondell. Innerhalb dieses Jahres wurde Ellas Grab bereits dreimal geschändet. Die letzte Zerstörung fand zum 23. Juli 2022 statt. An diesem Tag wurde in Berlin, das sich stolz Regenbogenhauptstadt nennt, der Christopher Street Day (CSD) gefeiert.
Fuck you![14]