Bereits im Juli 1933, also rund ein halbes Jahr nach der Machtübernahme der Nationalsozialist*innen, erließ die Regierung im Juli 1933 das „Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses“. Es trat am 1. Januar 1934 in Kraft und erlaubte erstmals in Deutschland die Zwangssterilisation. Menschen, die nicht den nationalsozialistischen „Rasseidealen“ entsprachen, sollte so die Möglichkeit verwehrt werden, Kinder zu zeugen. Rund 350.000 bis 400.000 Menschen wurden auf Grundlage dieses Gesetzes während der NS-Herrschaft zwangssterilisiert. Betroffen waren Menschen mit psychischen Krankheiten oder mit körperlichen und geistigen Behinderungen sowie Menschen, die als „asozial“ oder „minderwertig“ stigmatisiert wurden, wie etwa Alkoholiker*innen.
Ab Sommer 1939 wurde die „Vernichtung lebensunwerten Lebens“ geplant und von Hitler durch eine Tötungsermächtigung legitimiert, datiert auf den 1. September 1939, Tag des Kriegsbeginns durch den deutschen Überfall auf Polen. Das Mordprogramm erhielt den Namen „Aktion T4“, nach der Adresse Tiergartenstraße 4 der eigens dafür aufgebauten Verwaltungszentrale in Berlin. Das bedeutete, dass die Leitungen von Krankenanstalten und psychiatrischen Kliniken aufgefordert wurden, auch ihre volljährigen Patient*innen zu melden. In Berlin überprüften Gutachter*innen die Meldungen und entschieden über das weitere Schicksal. Mit einem „+“-Zeichen auf dem Meldebogen vermerkten sie, wer getötet werden sollte. Die Betroffenen wurden in Krankenanstalten, etwa nach Bernburg, Hadamar, Hartheim und Sonnenstein verlegt und umgebracht.
Die systematische Ermordung von Kindern mit geistigen oder körperlichen Behinderungen begann 1939; die Nationalsozialisten verschleierten sie auch als „Gnadentod“. Ab Januar 1940 wurden erwachsene Patient*innen von grauen Bussen abgeholt und in insgesamt sechs Tötungsanstalten gebracht. Dort ermordete man sie mit Kohlenmonoxid in als Duschräumen getarnten Gaskammern und äscherte die Leichen umgehend ein.
Die Nazis töteten insgesamt rund 200.000 kranke und behinderte Menschen. Die Angehörigen erhielten kurz darauf „Trostbriefe“ sowie Sterbeurkunden mit falschen Angaben zu Todesursache und -datum.
Schon vor den 1930er Jahren kursierten Forderungen, Menschen mit Behinderungen zu töten: Die 1920 von dem Juristen Karl Binding und dem Psychiater Alfred Hoch veröffentlichte Schrift „Die Freigabe der Vernichtung lebensunwerten Lebens“ sorgte in der Weimarer Republik teils für kritische Debatten, fand allerdings später bei den NS-Ideolog*innen Anklang. Das Werk prägte die Vorstellung, Menschen als „lebensunwert“ einstufen zu können. Es regte auch Überlegungen an, menschliches Leben an wirtschaftlicher Rentabilität zu messen und damit die Ermordung von kranken oder behinderten Menschen zu rechtfertigen. Mit ihren Thesen lieferten Hoch und Binding die zentrale programmatische Grundlage für die NS-„Euthanasie“. Der aus dem Altgriechischen stammende Begriff bedeutet eigentlich „schöner Tod“ und wurde von den Nationalsozialisten als Umschreibung der systematischen Ermordung von Menschen mit Behinderungen, psychischen Krankheiten und sozialen Stigmata gebraucht.
Die „Euthanasie“-Mordaktionen der Nationalsozialist*innen an verschiedenen Gruppen fanden parallel zueinander statt. Ihr Planungszeitraum ist wissenschaftlich umstritten. Als ein möglicher Auslöser gilt, dass Hitler im Frühjahr 1939 das Schreiben eines Vaters erhalten habe, der um die Tötung seines behinderten Kindes bat. Hitler ermächtigte zu diesem Anlass den Leiter der „Kanzlei des Führers“, Philipp Bouhler, und seinen Leibarzt, Karl Brandt, das Kind zu töten und in ähnlichen Fällen genauso zu verfahren.
Vorbereitet und organisiert wurde der kommende systematische Massenmord von dieser Führungselite der „Kanzlei des Führers“ und Ärzten. Zur Tarnung wurde der „Reichsausschuss zur wissenschaftlichen Erfassung von erb- und anlagebedingten schweren Leiden“ gegründet, unter dessen Namen sie die Morde erfassen und verüben ließen.
Die Aufarbeitung der Euthanasie-Morde im Nachkriegsdeutschland verlief aus Sicht der Opfervertreter*innen mehr als unbefriedigend. Der Großteil der Prozesse gegen die Täter*innen fand kurz nach Kriegsende unter alliierter Gerichtsbarkeit statt. So wurden im Nürnberger Ärzteprozess zwei Hauptverantwortliche und in anderen Verfahren auch medizinisches Personal und Verwaltungskräfte zu Tode verurteilt. In späteren Verfahren fielen die Urteile deutlich milder aus. Das Gesetz zur Zwangssterilisation wurde erst 1988 vom Bundestag zum NS-Unrecht erklärt und die Urteile der „Erbgesundheitsgerichte“ 1998 aufgehoben. Bis heute haben Zwangssterilisierte und Euthanasie-Opfer allerdings keinen Anspruch auf Leistungen nach dem Bundesentschädigungsgesetz.