Gegenwart Erinnern: Eine Nacht der Trauer. Reflexionen über Erinnerung und Verlust

Plurale Räume können einen offenen, kritischen und respektvollen Umgang mit den schmerzlichsten Ereignissen ermöglichen und gemeinsames, solidarisches Erinnern stärken. Das ist eine wichtige Einsicht nach der Veranstaltung der Coalition for Pluralistic Public Discourse und RomaTrial e.V. anlässlich des ersten Jahrestages des terroristischen Angriffs der Hamas auf Israel am 7. Oktober und dem andauernden Krieg im Nahen Osten.

Um einen konstruktiven und pluralen Umgang mit dem 7. Oktober und dem andauernden Krieg zu ermöglichen, bedarf es

  1. der Fähigkeit, verschiedene Narrative, Perspektiven und Positionen zu analysieren und miteinander in den Dialog zu bringen.
  2. der Arbeit daran, über bloße Zustimmung oder Ablehnung hinauszugehen, Gleichzeitigkeit anzuerkennen und auszuhalten sowie ein solidarisches, empathisches Erinnern anzustreben.
  3. der Einsicht, dass Ergebnisse und Einsichten, die wir im Prozess des gemeinsamen Erinnerns gewinnen, wie das Erinnern selbst sind: unvollständig und unabgeschlossen.
  4. einer Haltung der Verantwortung gegenüber dem Kriegsgeschehen sowie ein Verständnis der eigenen Rolle: Während kein Statement, kein Social-Media-Post, kein Essay und keine Veranstaltung das Kriegsgeschehen beeinflusst, Geiseln befreit oder das Töten beendet, gibt es eine Verantwortung für den öffentlichen Diskurs und das Gestalten des Zusammenlebens in unserer Gesellschaft. Letzteres kann offen und respektvoll gestaltet werden, wenn das Menschliche fokussiert wird.

Im Rahmen der Veranstaltung wurde Trauer als fundamentale menschliche Emotion in vier Panels und in ihrer Vielschichtigkeit und Multidimensionalität betrachtet, die ihr einzigartiges Spannungsverhältnis ausmacht: als kulturelles Phänomen, das kollektives Erinnern, Gedächtnis und Identitäten prägt, und in ihrer individuellen, persönlichen Dimension.

In den von Hannan Salamat und Zsófia Bihari moderierten Gesprächen mit Shai Hoffmann und Ahmad Dakhnous, Furkan Yüksel und Samuel Stern, Atalya Laufer und Ariel Reichman sowie Hadja Harouna-Oelker und Max Czollek wurden kulturelle, psychologische und soziale Aspekte von Trauer und deren Auswirkungen auf Gesellschaft und Individuum reflektiert: Kann Trauer als fundamentale menschliche Emotion angesichts von Krieg und Konflikt eine vereinende Wirkung haben? Ist das Recht auf Trauer für alle gleich? Wie begegnen wir den Ungleichheiten in der Wahrnehmung und Sichtbarkeit von Trauer? Welche konkrete Verantwortung liegt bei den vielen nicht unmittelbar Betroffenen in den Diskursen um Trauer und Krieg?

Die Veranstaltung im Grünen Salon der Volksbühne war schon frühzeitig ausverkauft. Sie ermöglichte Gespräche dort, wo Dialoge unmöglich erscheinen. Mit der Veranstaltung gelang es der CPPD, einen empathischen und offenen Raum der konstruktiven Auseinandersetzung und des kritischen Austauschs zu schaffen, der sich den komplexen Themen um Trauer und den 7. Oktober 2023 widmete. So konnte eine Form der Erinnerung gestärkt werden, die gleichzeitig eine tiefgehende Auseinandersetzung mit den aktuellen Gewaltgeschehnissen bedeutet und Perspektiven für ein solidarisches und plurales Erinnern aufzeigt.

Die nächsten öffentlichen Veranstaltungen der CPPD finden im Oktober 2024 im Rahmen des Abschlussfestivals Memory Matters der CPPD in Berlin statt: Beim Netzwerkpartner*innentreffen am 18. Oktober kommen Institutionen, Organisationen und Akteur*innen mit vielfältigen Arbeitsschwerpunkten innerhalb des erinnerungspolitischen und -kulturellen Felds zusammen, um Synergien zwischen Themen, Ressourcen und Projekten zu schaffen.

Am 19. Oktober findet die Abschlussveranstaltung der CPPD in der Akademie der Künste unter dem Titel „Wie weiter? Gegenwart Erinnern. Der 24. Februar, der 7. Oktober & der 9. Juni“ statt.

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Fotocredit: Natalia Reich