Tod von Sarah Hegazi

Andrea Hanna Hünniger

Am 14. Juni 2020 hat Sarah Hegazi beschlossen, ihrem Leben ein Ende zu setzen. Zum Zeitpunkt ihres Todes war die ägyptische Menschenrechtsaktivistin 30 Jahre alt. Vor fünf Jahren schon hatte sie in Interviews immer düsterer geklungen: „Das Gefängnis hat mich getötet. Es hat mich zerstört“, sagte Hegazi im Juni 2018 im Interview mit dem US-amerikanischen Radiosender NPR. In dem Gespräch erzählte sie davon, wie sie nach dem Konzert einer libanesischen Band mit einem schwulem Sänger festgenommen wurde. Vor der Bühne hatte sie damals eine Regenbogenflagge geschwenkt.

Hegazi wurde später unter anderem vorgeworfen, einer illegalen Gruppe beigetreten zu sein und „sexuelle Abweichungen“ zu fördern. In der Haft wurde sie gefoltert und psychisch misshandelt. Die letzten Monate ihres Lebens verbrachte sie im kanadischen Exil. Die Nachricht ihres Todes sorgte weltweit für Entsetzen. In der arabischen Welt wurde er zum Symbol für die gefährliche Lage, der Homosexuelle allein aufgrund ihrer sexuellen Orientierung ausgesetzt sind. Hegazi sagte einmal in ihrem Exil: „Ich habe mich noch nie so lebendig gefühlt wie während der Revolution.

Auch Sarah Hegazi kritisierte, dass es im Gefängnis keine medizinische Hilfe gab. „Ich war für drei Monate im Gefängnis und sie haben mich in eine Einzelzelle gesteckt, ohne frische Luft, keine Gespräche, keine Leute, so habe ich eine Depression entwickelt und meine Augenfunktion verloren. Jetzt machen sie das mit allen Transgender und anderen politischen Gefangenen.“ Es gäbe kein politisches Leben, nur die eine Stimme des Militärs, des Regimes.

Dabei ist einvernehmlicher, gleichgeschlechtlicher Sex dem ägyptischen Gesetz zufolge nicht strafbar – und Ägypten eine Ausnahme in der Region. Einst galt Kairo sogar als „homosexuelle Hauptstadt der arabischen Welt“. Diese Zeiten sind allerdings längst vorbei.

Spätestens seit 2017 beobachten Menschenrechtsorganisationen eine zunehmende Verfolgung von Homosexuellen im Land. Als rechtliche Grundlage dienen den Sicherheitskräften beispielsweise das Prostitutionsgesetz und das Gesetz gegen Verkommenheit.

Ägyptische Sicherheitskräfte würden Lesben, Schwule, Bisexuelle und Transgendermenschen (LGBT) willkürlich festnehmen, sie unter unmenschlichen Bedingungen festhalten und systematisch Misshandlungen und auch Folter aussetzen, heißt es in einem Bericht der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HWR) aus dem vergangenen Oktober. Ägypten ist dabei jedoch nur eines von vielen Ländern, in denen Mitglieder der LGBT-Community zunehmend gefährlich leben.

Die Internationale Vereinigung für Lesben, Schwule, Bisexuelle, Transsexuelle und Intersexuelle (ILGA) listet in ihrem am 15. Dezember veröffentlichten Bericht 69 UNO-Mitgliedstaaten, in denen Homosexualität ein Verbrechen ist. In sechs dieser Länder kann für gleichgeschlechtlichen Sex die Todesstrafe verhängt werden. In weiteren fünf Ländern, darunter Afghanistan und Somalia, gibt es ILGA zufolge zumindest Hinweise darauf, dass die Todesstrafe angewendet wird.

Experten schätzen, dass seit der islamischen Revolution in Iran 1979 mehrere Tausend Menschen wegen homosexueller Handlungen hingerichtet worden sind. In dem Land drohen Homosexuellen 100 Peitschenhiebe, wenn sie sich outen. Wird ein Paar in flagranti erwischt, dann kann die Todesstrafe verhängt werden. Erlaubt ist in der Islamischen Republik hingegen Transsexualität. Geschlechtsangleichende Operationen werden sogar vom Staat gefördert.

Doch 2020 hat die Welt vor allem auf ein anderes Thema geschaut – und das hat verheerende Folgen für die Rechte von Mitgliedern der LGBT-Gemeinschaft. Der Kampf gegen die Corona-Pandemie hat viele andere Belange in den Schatten gestellt. In dieser Zeit seien für sexuelle Minderheiten „sichere Räume über Nacht dramatisch geschrumpft“, sagt Julia Ehrt, Programmdirektorin von ILGA. „Einige Regierungen nutzten diese Umstände und verstärkten ihre Bemühungen, uns zu unterdrücken, zu verfolgen, zum Sündenbock zu machen und uns gewaltsam zu diskriminieren. An vielen Orten, an denen Gesetze bereits eine Ursache für Ungleichheit waren, ist es nur noch schlimmer geworden.“

So haben Ungarn und Polen die Rechte Homosexueller Menschen eingeschränkt. Ihnen die Adoption von Kindern verboten und Polen hat ein Drittel des Landes zur „LGBT- freien Zone“ erklärt. Etwa 100 Städte und Gemeinden zeigen sich damit offen homo- und transfeindlich. Die Attacken auf Homosexuelle nehmen zu. In Russland werden Homosexuelle in Fallen gelockt und gedemütigt. In der Türkei werden entsprechende Chat und Dating-Seiten gesperrt. Die Listen der Länder, die immer homofeindlicher werden, wird immer länger.

Die Toleranz für Homosexualität wächst? In vielen Staaten ist das Gegenteil der Fall.

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