Review: »Memory Matters« in Neumünster

Coalition for Pluralistic Public Discourse

Festivalreihe »Memory Matters« in Neumünster: Solidarität und Erinnerung

11.-12. Juli 2024

Die Erinnerungskultur in Deutschland steht an einem Wendepunkt. Der Austausch verschiedener Communities stellt eine wichtige Säule für die Arbeit an einer pluralen Erinnerungskultur und unserer pluralen Gesellschaft dar. Nur im Gemeinsamen können zukunftsgerichtete, solidarische Formen der Erinnerung erprobt werden.

Für die Arbeit an unserer Gesellschaft sind Räume der Zusammenarbeit unabdingbar. Bei der Entwicklung einer pluralen Erinnerungskultur muss eine besondere Aufmerksamkeit auf der Vernetzung von Communities und Betroffenen von Diskriminierung und Menschenrechtsverletzungen, von rechter und antisemitischer Gewalt liegen. Im gemeinsamen Erinnern liegt eine Chance für unsere demokratische plurale Gesellschaft, Wertschätzung und Partizipation zu stärken.

Die Coalition for Pluralistic Public Discourse (CPPD) erarbeitet seit 2021 als kollaboratives Netzwerk von über 200 Partner*innen künstlerische, zivilgesellschaftliche und bildungspolitische Konzepte für ein pluralistisches gesellschaftliches Erinnern. Hierzu gehört die Festivalreihe »Memory Matters«. In Neumünster wurde das Festival mit der Sinti Union Schleswig-Holstein durchgeführt. Neumünster ist ein wichtiger Standort für »Memory Matters«, da die Stadt ihre eigene Geschichte der Ausgrenzung von Minderheiten, insbesondere der Sinti* Community, trägt. Genau diese Community ist es, die sich heute für eine plurale Erinnerungskultur in ihrer Stadt engagiert.

Ist solidarisches Erinnern unter Wahrung der Einzigartigkeit communityspezifischer Erinnerungen möglich? Welche Rolle spielen Gedenkinitiativen in der solidarischen Erinnerungsarbeit? Wie kann eine solidarische Erinnerungspraxis gesellschaftlicher Polarisierung entgegenwirken? Diese Fragen wurden im Rahmen des Festivals diskutiert und neue Erkenntnisse gewonnen. Es zeigte sich, dass sich verschiedene Communities in ihrer Erinnerungsarbeit durch Vernetzung solidarisch ermutigen und Erinnern als Funktion einer pluralen und demokratischen Gesellschaft stärken.

Max Czollek, Kurator der CPPD, betonte, dass der Rechtsruck in Europa die Vorstellung einer postmigrantischen Gesellschaft als gesellschaftstragendes Konzept stark herausfordere. Neue erinnerungskulturelle Ansätze können dabei helfen, eine tragfähige plurale Gesellschaft zu entwickeln. Ibrahim Arslan, Überlebender der Anschläge von Mölln, betonte die wichtigen strukturellen Impulse der Gedenkinitiativen zur Demokratisierung der deutschen Erinnerungslandschaft. Hanna Veiler, Präsidentin der Jüdischen Studierendenunion Deutschlands, rief im Zuge aktueller Krisen zu mehr Empathie und Solidaritätsbewusstsein auf. Von kraftschöpfenden Erfahrungen von Solidarität unter Betroffenen sprach Kelly Laubinger, Vorsitzende der Sinti Union Schleswig-Holstein. Das Publikum unterbrach die vom Jo Frank moderierte Paneldiskussion mehrmals durch Szenenapplaus.

Räume des Austauschs werden auch in Zukunft für die Weiterentwicklung unserer hiesigen Erinnerungskulturen benötigt. Die Veranstaltung in Neumünster war Teil der Festivalreihe »Memory Matters« der CPPD, die 2024 in vier deutschen und zwei europäischen Städten mit Veranstaltungen, Workshops, künstlerischen Positionen und Diskussionen realisiert wird. Vom 27. bis 31. August 2024 findet die nächste Ausgabe von »Memory Matters« in Dortmund zum Thema „Erinnerungskultur und Fußball“ statt. Die CPPD ist ein Programm von DialoguePerspectives e. V.

Review: »Memory Matters – IMPORT/EXPORT: ERINNERN«

»Memory Matters –
IMPORT/EXPORT:
ERINNERN«

As part of “Memory Matters: IMPORT/EXPORT – ERINNERN” in Nuremberg from 14th-16th June 2024, scientists, artists, journalists and activists from a wide range of communities took part in panels, workshops, performances and other formats in search of a new approach to hidden aspects of memory.

On Saturday, 15 June 2024, artist Nina Prader from the CPPD network invited participants to share personal and collective memories in the interactive game and workshop “MemoryGames”. By using designed card sets, the stories told by the workshop participants created a living archive that was used as a mediation tool to commemorate the Shoah and to raise awareness on issues of history, identity, positioning, flight, asylum, exile and migration.

On Sunday, 16 June 2024, democracy trainer and CPPD member Vatan Ukaj led the workshop “Encounters in plural memory”. In this workshop, remembrance work was approached by working with body and movement.

The panel “Languages of Remembrance | Languages of Forgetting” consisted of members of the CPPD network. Max Czollek, Sharon Dodua Otoo, Prof Dr Frederek Musall and Hannan Salamat took part in the discussion and examined different aspects of remembering. The event was moderated by Benjamin Fischer.

A special highlight of IMPORT/EXPORT: ERINNERN was the CPPD’s Dynamic Memory Lab. The exhibition “Codes of Memory in Sinti* and Roma* Communities”, curated by Hamze Bytyçi, has been updated and expanded to include regional perspectives on Roma* and Sinti*. The Dynamic Memory Lab and the exhibition were open to visitors in the foyer of the Schauspielhaus of the Nuremberg State Theatre until the end of June 2024.

The event was a cooperation between the Coalition for Pluralistic Public Discourse and the Nuremberg State Theatre.

 

Photocredit: Elena Krasnokutskaya

 

 

 

Review: First European Congress of the CPPD

Erinnerungsbedarf. Konferenz zum
pluralen Erinnern in Migrationsgesellschaften
 

On 1st and 2nd June 2024, the conference “Erinnerungsbedarf. Conference on Pluralistic Remembrance in Migration Societies” took place in St. Pölten in Austria. As the first European conference of the Coalition for Pluralistic Public Discourse (CPPD), this event took place in cooperation with Tangente St. Pölten – Festival for Contemporary Culture and the Institute for Jewish History Austria (INJOEST). Muhammet Ali Baş from the CPPD network curated the conference.

Scholars, artists and activists from a wide range of communities discussed questions of cultural and political remembrance in panels, workshops and other formats.

On the occasion of the conference, the Dynamic Memory Lab and its exhibition “Codes of Memory in Sinti* and Roma* Communities” were officially opened on the 1st of June on the Rathausplatz in St. Pölten. The exhibition, curated by Hamze Bytyçi, included regional perspectives on Roma* and Sinti* as well as Yenish people in Austria.

More than 40 actors involved in the heterogeneous field of remembrance work as well as members of the CPPD came together for a network meeting. They discussed different issues and needs on a European scale and defined goals and next steps for joint work. The network meeting was moderated by Vatan Ukaj.

In his keynote speech, CPPD curator Max Czollek presented remarks on the status quo of remembrance culture in Germany. In the panel discussion “Whose memory is missing? Who is fighting for visibility?”, Darija Davidovic discussed with Samuel Mago, Ayşe Güleç and Philipp Gufler about ways to create a democratic culture of remembrance.

On 2 June, artist Nina Prader held a zine workshop focusing on the function of zines as a tool for remembrance politics and community building. In a workshop on urban history and memory, architect Jan Bodenstein and postcolonial urban researcher Noa K. Ha introduced the participants to the importance and necessity of a pluralist memory architecture.

On the next panel, Eşim Karakuyu and Prof. Dr Frederek Musall, Derviş Hızarcı and Sheri Avraham discussed the complex challenges and polarisation in Germany and Austria after 7 October/the war in Gaza. The panel was moderated by Max Czollek.

 

Photocredit: Felix Kubitza

 

Review: CPPD Network Meeting

Am 2. Mai fand unter dem Thema „Memory Matters. Der 7. Oktober 2023 als Ende der Pluralen Erinnerungskultur?“ das Netzwerktreffen der CPPD statt.

Ausgangspunkt des Netzwerktreffens waren die terroristischen Angriffe der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 und der nachfolgende Krieg in Gaza.

Phänomene, die im Diskurs abgebildet sind – u. a. Verunsicherung, Positionierungszwang, Angst, Definitionskämpfe, Entsolidarisierung und Polarisierung – wirken auf den Arbeitsbereich und die Strukturen des Netzwerks. Vor diesem Hintergrund verfolgte das Treffen das Anliegen, das Arbeiten der CPPD zum gegenwärtigen Konflikt zu reflektieren und neue Perspektiven für einen zukünftigen Umgang zu entwerfen.

Während des Treffens kamen Mitglieder aus dem CPPD-Netzwerk in parallel stattfindenden Diskussionsrunden zusammen. Dabei ging es nach einer einführenden Bestandsaufnahme u.a. um Herausforderungen der CPPD im Umgang mit dem 7. Oktober und den Krieg in Gaza. Ein weiterer Schwerpunkt lag in der Verortung deutscher und europäischer Erinnerungskulturen und ihren vielfältigen Bezügen zum Thema. Zudem wurden Formen der Solidarität diskutiert, die das Ausspielen marginalisierter Gruppen gegeneinander reduzieren. Schließlich reflektierte das Netzwerktreffen im Spezifischen die Arbeit der CPPD: Welche Maßnahmen kann die CPPD aus den gewonnen Einsichten auch zukünftig ergreifen?

Der Austausch zwischen den Mitgliedern zeigte die unterschiedlichen Bezüge der Teilnehmenden zum Thema auf. Allgemein wurde das Netzwerktreffen als Anlass dazu genommen, Neu-Justierungen in der gemeinsamen Arbeit vorzunehmen. Konkrete Maßnahmen und Formen der Selbstverpflichtung wurden benannt.

Es hat sich erneut gezeigt, dass gerade das persönliche, offene Sprechen unter den Mitgliedern der CPPD einen ganz besonderen Wert hat: dass ein Raum geschaffen werden konnte, in dem die Mitglieder aus unterschiedlichsten persönlichen wie auch fachlichen Perspektiven miteinander sprechen können, von einander lernen können, gemeinsame Strategien entwickeln können.

CPPD article in the Newsletter of the Topography of Terror Foundation

CPPD text on a plural culture of remembrance in the memorials newsletter of the Topography of Terror Foundation

 

The CPPD was honored to be asked by the Topography of Terror Foundation to publish a text in their memorials newsletter on approaches and basic conditions of plural remembrance. The work of the CPPD should be presented and placed in the context of plural forms of remembrance.

The article may be reviewed on the website of the Memorial Forum and on our website under Publications.

The GedenkstättenRundbrief is a journal of the Memorials Department, a section of the Topography of Terror Foundation. The journal deals specifically with topics of activities of the memorials for victims of the NS-regime. It is published four times a year as a print edition and can be obtained by subscription. It publishes articles on current issues, reports on new memorials or special activities and projects of individual institutions. In addition, the newsletter contains a service section which refers to selected events as well as newly published literature.

 

Future of Remembrance 2024 – The Pluralistic Calender of Remembrance

Future of Remembrance 2024 – The Pluralistic Calender of Remembrance

The future of remembrance is pluralistic. When we think about a pluralistic future of remembrance in which the diversity of our society can participate in collective remembrance, we broaden our view of experiences and events that can and must be strengthened in social remembrance. The “we” of our society is also co-determined by our memories. The CPPD wants to understand this “we” in an inclusive, diverse and dynamic way. It is not about battles for attention or space in the remembrance calendar, but about unfolding our moments of remembrance – about enrichment, about acknowledging gaps, about looking and listening. Finally, we must recognize that political demands for remembrance can only be effective if we strengthen the function of remembrance in our societies – towards the vitalization of a promise that must not become a cliché: Never Again!

How a social and pluralistic narrative of the collective “we” is told has a special significance in this remembrance calendar #future of remembrance, because: Storytelling also plays a special role in the vitalization of memory. The second and expanded edition includes contributions from members of the CPPD network and guest authors who reflect on various days of remembrance in journalistic texts, academic essays and creative formats, expanding and diversifying the cultural canon of remembrance.

From questions of confrontation and negotiation at the interfaces of cultures of remembrance and anti-semitism, ableism, racism, queer hostility to the question of how we remember the present, the contributions are an example of the impressive breadth of topics relevant to remembrance.

The remembrance calendar is based on the understanding that there are no closed processes of remembrance. Memories know neither boundaries nor a center. In the second edition of the remembrance calendar, we have deliberately filled in the blanks from last year. But the same applies this year: we ask all readers to tell us about other days of remembrance so that we can add them to the calendar and continue writing it together. Only in its openness the calendar is able to remain plural and might make a successful contribution to a #FUTUREOFREMEMBRANCE.

It can be ordered free of charge via cppd@dialogperspektiven.de with the reference “Order of CPPD Remembrance Calendar 2024” and stating your private address (due to a small number of printed editions, we can only send 1 remembrance calendar per person). We would be pleased to receive a donation for our supporting association DialoguePerspectives e.V.

Key topic 2024: »Memory Matters«

Gesprächsreihe »Gegenwart erinnern«

Gesprächsreihe »Gegenwart erinnern«

Mit Expert*innen aus Kunst, Kultur, Journalismus, Aktivismus und Politik realisierte die CPPD eine Gesprächsreihe, in denen die Expert*innen mit jeweils einem Mitglied aus dem CPPD-Netzwerk verschiedene Konfliktregionen und Erinnerungsmomente fokussierten. Entstanden sind sechs Kurzvideos, die sich konkret auf Länderbeispiele und Erinnerungsmomente beziehen und gleichermaßen explorativ auf die vielfältigen Fragen rund um das Erinnern von Gegenwart eingehen.

Der Journalist Christian Bangel geht im Gespräch mit Creative Director und Strategist Thao Tran rechten Kontinuitäten in Deutschland nach. Der Fotograf und Autor Muhammad Salah führt zusammen mit dem Politikwissenschaftler Benjamin Fischer unsere Blicke in den Sudan und zeigt dabei unsere Verantwortungen im Konflikt zwischen Nord und Süd auf.

Der Musiker, Autor und Moderator Yuriy Gurzhy spricht mit der Autorin und Journalistin Olesya Yaremchuk über die Ukraine, über das Leben und Sterben im Krieg; die Journalistin Waslat Hasrat-Nazimi richtet gemeinsam mit dem Religionswissenschaftler, Philosophen und Übersetzer Ahmad Milad Karimi den Fokus auf Afghanistan und die Auswirkungen der jahrzehntelang geführten Kriege für Gesellschaft und Individuen.

Tezcan Tekkal, Sozialunternehmerin und Mitgründerin der Menschenrechtsorganisation HÁWAR.help (link), spricht mit der Journalistin Dinah Riese über den Genozid an den Jesid*innen, über globale Aufmerksamkeit und die aktivistische Kraft Einzelner. Die Ärztin und Journalistin Gilda Sahebi redet mit Hannan über den Iran, über diasporische Wehrhaftigkeit, Hoffnungen und Befürchtungen. In Absprache mit Meron Mendel und Frederek Musall haben wir beschlossen, ein Gespräch nach dem 7. Oktober 2023 per Zoom zum Thema Israel aufzunehmen. »Gegenwart Erinnern« bedeutet also auch, von Gegenwart eingeholt, überrollt, überfordert zu werden.

Die Gesprächsreihe wurde ursprünglich für die Konferenz »Gegenwart erinnern« der CPPD im Oktober 2023 konzipiert.