Die CPPD und ihre Netzwerkmitglieder fordern eine Stärkung und nachhaltige Sicherung ihrer Arbeit für eine demokratische Plurale Erinnerungskultur.
Pluralität bleibt das Strukturprinzip unserer Gesellschaften – trotz eines Erstarkens der rechtsextremen und faschistischen AfD in Deutschland, trotz der Wahlerfolge rechter und rechtsextremer Kräfte in Europa, trotz andauernder Kriege und Gewaltkonflikte in der Ukraine, in Israel, Gaza und im Libanon. Mit ihren Aktivitäten und Veranstaltungsformaten schafft die CPPD einzigartige Räume des Pluralen, die Dialog zulassen und zu konkretem Handeln führen.
Um der Pluralität unserer Gesellschaften gerecht zu werden, bedarf es Ressourcen und Räume, die einerseits den themenspezifischen Austausch ermöglichen sowie Räume, die die Komplexitäten und Widersprüchlichkeiten von Perspektiven öffentlich sichtbar machen. Diese Räume sind herausfordernd und entstehen erst durch die Zuwendung zum Pluralen: Sie können dazu beitragen, die enge Verschränkung zwischen gegenwärtigem Handeln und der Zukunft unserer Gesellschaften in Kontext zu setzen, Polarisierungen zu verringern und Demokratie zu fördern.
Als einmaliges kollaboratives Netzwerk mit über 200 Partner*innen realisiert die CPPD künstlerische, zivilgesellschaftliche und bildungspolitische Konzepte für ein pluralistisches gesellschaftliches Erinnern. Hierzu gehören auch die Aktivitäten der Festivalreihe »Memory Matters«, die an sechs Standorten in Deutschland und Europa stattfand und am 18. und 19. Oktober 2024 in Berlin ihren Abschluss fand.
Bei der öffentlichen Veranstaltung „Wie weiter? – Gegenwart erinnern. Der 24. Februar, der 7. Oktober und der 9. Juni“ in Kooperation mit der Akademie der Künste kamen neben CPPD-Netzwerkmitgliedern mehr als 150 Interessierte aus der Zivilgesellschaft sowie ein erinnerungspolitisches Fachpublikum zusammen. Drei Panels zeigten die Singularitäten sowie die Gleichzeitigkeiten und Verschränkungen von Kriegen, rechter Gewalt und der Bedeutung von Pluralen Erinnerungskulturen auf.
Die Journalistin Olesya Yaremchuk, die Geschäftsführerin von OFEK e.V. Marina Chernivsky und der Aktivist und Geschäftsführer von Austausch e.V. Igor Mitchnik thematisierten die verheerenden Auswirkungen des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine mit einem menschenzentrierten Fokus: Welche Auswirkungen hat der Krieg für Betroffene und Angehörige? Wie beeinflusst er Demokratien in Europa? Wie geht es – auch erinnerungspolitisch – weiter?
Die Journalistin und Ressortleiterin bei der taz Dinah Riese diskutierte mit Hanna Veiler, Präsidentin der Jüdischen Studierendenunion Deutschland, und Ahmad Dakhnous, Aktivist und politischer Referent, über den Krieg in Israel und Gaza, seine Bedeutung für Deutschland und Europa und welche Rolle eine Plurale Erinnerungskultur darin spielen kann. Das kontroverse und emotional geladene Panel schuf Raum für plurale Perspektiven und zeigte eindrücklich, wie ein respektvoller Umgang mit unterschiedlichen Positionen gelingen kann.
Peggy Piesche, Leiterin des Fachbereichs „Politische Bildung und plurale Demokratie“ bei der Bundeszentrale für Politische Bildung, und Kristina Lunz, Mit-Begründerin des Center for Feminist Foreign Policy, sprachen über die diesjährigen Europawahlen und die Konsequenzen von Polarisierungen für Deutschland und Europa. Sie konkretisierten Handlungsoptionen sowie die Rolle von Empathie, kollektiver Erinnerung und Zusammenarbeit für die Gestaltung unserer Demokratien. Diplomatin Anja Fahlenkamp betonte zum Abschluss, Intersektionalität als Schlüsselkonzept zu begreifen, um gegenwärtige Herausforderungen zu verstehen.
Im Rahmen des Abschlussfestivals „Memory Matters“ kamen über zwei Tage erinnerungs- und bildungspolitische Akteur*innen aus verschiedenen Institutionen, Organisationen und Initiativen sowie Mitglieder aus dem CPPD-Netzwerk zum Netzwerkpartner*innentreffen der CPPD zusammen. In zwei Arbeitsrunden gingen die Teilnehmenden erinnerungsspezifischen Themen nach und erarbeiteten Grundlagen für die Entwicklung innovativer erinnerungspolitischer Maßnahmen zur Förderung von Vielfalt, Inklusion und historischer Genauigkeit. Begleitet wurde das Netzwerkpartner*innentreffen, das einen einmaligen Raum für den Austausch zivilgesellschaftlicher Organisationen bot, durch die Expertise von Vatan Ukaj und Alexandra Perlowa aus dem Kollektiv „Wertansich(t)“.
Trotz der virulenten Krisen kommt unseren Gesellschaften ein inhärentes Gestaltungspotenzial zu – das zeigte das Abschlussfestival „Memory Matters“ der CPPD. Dafür müssen Räume geschaffen, gestärkt und nachhaltig gesichert werden, in denen ein pluraler Diskurs zu Erinnerungskultur möglich ist.
Wir bedanken uns bei allen Teilnehmenden und den zivilgesellschaftlichen Akteur*innen und freuen uns auf eine Fortsetzung unserer Arbeit 2025.
30. September & 1. Oktober 2024
Die Aushandlung einer gemeinsamen Europäischen Erinnerungskultur eröffnet neue Perspektiven in nationalen erinnerungspolitischen Diskursen. Das ist eine zentrale Erkenntnis der Kulturbegegnung »Memorias | Erinnerungen« in Madrid. In Anbetracht der demokratischen Krise in Europa liegt ein Schlüssel für die Stärkung Europas in der Frage, wer wir als Europäer*innen sind und sein möchten. Eine gemeinsame Pluralisierung der Erinnerungskultur kann Zusammenhalt und Demokratie entscheidend befördern.
Seit 2021 arbeitet die Coalition for Pluralistic Public Discourse (CPPD) als kollaboratives Netzwerk mit über 200 Partner*innen an künstlerischen, zivilgesellschaftlichen und bildungspolitischen Konzepten für ein pluralistisches gesellschaftliches Erinnern in Deutschland und Europa. Zentraler Bestandteil dieser Arbeit ist die Festivalreihe »Memory Matters«, die 2024 an vier deutschen und zwei europäischen Städten stattfindet, darunter auch der Europäische Kongress in Zusammenarbeit mit dem Goethe-Institut Madrid und dem Instituto Cervantes.
Der Soziologe Emilio Silva Barrera, Gründer der Vereinigung zur Wiedererlangung des Historischen Gedächtnisses (ARMH), sowie Dr. Max Czollek, Autor und Kurator der CPPD, tauschten sich über die Förderung politischer Aktionen aus, die vielfältige Perspektiven in den offiziellen Erinnerungsdiskurs einbinden. Czollek verwies auf die deutsche Erinnerungspolitik, die eine eindimensionale Erzählung der Wiedergutmachung inszeniert, während Silva hervorhob, dass in Spanien das Bedürfnis nach Aufarbeitung sowohl der Franco-Diktatur als auch des Bürgerkrieges wächst. Beide appellierten an die zivilgesellschaftliche Stärke, die Widerstand gegen politische Realitäten und Gewalt leisten kann.
Loreto Urraca, die spanische Vertreterin des Kollektivs „Ungehorsame Geschichten, Angehörige von Völkermördern für Erinnerung, Wahrheit und Gerechtigkeit“, veranschaulicht, wie Menschen jenseits des akademischen Diskurses erinnerungspolitisch aktiviert werden können, indem sie ihre persönliche Familiengeschichte in den Mittelpunkt ihres Aktivismus stellt. Noa K. Ha lenkt die Aufmerksamkeit des zahlreich erschienenen Publikums auf die postkoloniale Wahrnehmung des öffentlichen Stadtraums.
Mit Tunay Önder, Julia Cortegana de la Fuente, Victorino Mayoral Cortés und Jo Frank stellten vier Vertreter*innen von Bildungs- und Kulturinitiativen unterschiedliche Projekte zur Vermittlung pluraler Erinnerungskultur vor. Ob Dokumentartheater, politische Bildungsprojekte, öffentliche digitale Erinnerungsarchive oder solidarische Netzwerke zur pluralen Erinnerungskultur – alle plädierten für den Ausbau der europäischen Vernetzung. Die Notwendigkeit zur europäischen Zusammenhalt wurde noch einmal durch globale Konflikte unterstrichen: So hat auch der Krieg im Nahen Osten, der enorme erinnerungspolitische Implikationen hat, die Diskussionen vor Ort beeinflusst.
Ein Highlight des Festivals war die Eröffnung des Dynamic Memory Lab im Garten des Goethe-Instituts. CPPD-Vorstand Hannan Salamat, Kelly Laubinger, Gründerin der Sinti Union Schleswig-Holstein, sowie der regionale Kurator und erste Abgeordnete der Gitanos-Community in der Madrider Regionalregierung, Gitano-Aktivist Samuel Escudero, setzten sich für eine stärkere Sichtbarmachung marginalisierter Communities wie der spanischen Sinti* und Roma* im öffentlichen Raum in Europa ein, indem sie die Vermittlung und Anerkennung individueller Geschichten und historischer Ereignisse betonten.
Für die Gestaltung einer pluralen europäischen Zukunft sind Formate des internationalen Dialogs von entscheidender Bedeutung. Sie ermöglichen es, voneinander zu lernen, gemeinsame Herausforderungen zu erkennen und neue Impulse für die europäische Erinnerungskultur zu setzen. Die diversen Veranstaltungen in Madrid waren Teil der Festivalreihe »Memory Matters« der CPPD, die 2024 in vier deutschen und zwei europäischen Städten mit Veranstaltungen, Workshops, künstlerischen Positionen und Diskussionen realisiert wurde.
Am 19. Oktober findet das Abschlussfestival 2024 unter dem Titel „Wie weiter? Gegenwart Erinnern: Der 24. Februar, der 7. Oktober & der 9. Juni“ in der Akademie der Künste Berlin statt.
Hier geht es zur Anmeldung!